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Dankesbrief 2022

Liebe Freunde des Sterns der Hoffnung!

Wie soll ich die Freude ausdrücken, die mich bewegt, wenn ich die Fülle der Spenden sehe, die der ›Stern der Hoffnung‹ in diesen Tagen für unsere Freunde in der Ferne erhalten hat. Thais, das sechsjährige Mädchen, das ich als Waisenkind 1995 in São Paulo kennenlernte, kommt mir mit ihrer Zeichnung zu Hilfe.

Thais hatte geschickte Hände und ein Herz voller Farben. Sie legte ihre Stifte erst behutsam auf das Papier, um auszudrücken, was sie bewegte – sie hatte gerade ihre Mutter an AIDS verloren, so wie sie zwei Jahre zuvor ihren Vater verloren hatte. Nun teilte sie das Leben mit vielen anderen auf der ›terra da promessa‹, dem Land über São Paulo, auf dem die tödlich erkrankten Mütter und Kinder ein Zuhause fanden. Zwei Tage, nachdem ihre Mutter verstorben war, schmiegte sich Thais so eng an mich, als ob sie uns beide trösten wollte. Dann begann sie wie wild mit den Stiften auf dem Papier herumzufahren. Sie hob ihre Finger und sagte: »Die sind da oben. Sie blinzeln. Sie schauen uns an.«

Damals gab es keine Behandlungsmöglichkeiten für HIV. In den ersten zehn Jahren konnten wir in den Hospizen nichts als eine Art palliative Sterbebegleitung organisieren. Erst ab 1996 kamen die ersten antiretroviralen Medikamente. Sie waren mehr als nur ein Hoffnungsschimmer. Sie schenkten den Menschen, die das Virus in sich trugen, das Leben. Die präventive Wirkung für Frauen, die ein Kind erwarteten, war durchschlagend und die Babys blieben virusfrei. Die durch HIV bewirkte Kindersterblichkeit konnte in ganz Brasilien gestoppt werden.

In Benin ist die Entwicklung leider nicht dieselbe. Das magische Schweigen über allem, was mit AIDS zu tun hat, beherrscht das ganze Land. Die althergebrachten Bräuche, welche die Schwangerschaften, die Geburten und die frühe Erziehung der Kinder normieren, sind so stark, dass niemand über die mit AIDS verbundenen Gefahren offen sprechen darf.

Sédilora aus einem kleinen Dorf im Landesinneren ist eine junge Frau mit einem manchmal strahlenden und oft etwas traurigen Lächeln. Sie weiß, dass ihr Leben nur durch die Mutterschaft verwirklicht werden kann. In Benin bedeutet ›Erfolg‹ für ein Mädchen, Kinder auf die Welt zu bringen.

Sédilora erinnert sich an eine Tante, die keine Kinder auf die Welt brachte – und an die familiäre und die soziale Ablehnung, die das mit sich brachte. Sie kennt das Klima, die Blicke der Familie und der Verwandten, die auf einem Bauch ruhen, der nicht wachsen will. Schon als Teenager hatte sie Angst vor diesem Schicksal. Sie wollte es wissen und heiratete schon früh den erstbesten Mann, obwohl er wie sie vollkommen mittellos war. Doch Sédilora wurde von den Göttern und von den Vorfahren gesegnet. Sie brachte einen kleinen Jungen zur Welt. Nun war sie eine vollwertige Frau. Sie hoffte, nunmehr in aller Öffentlichkeit respektiert zu werden.

Das Glück war von kurzer Dauer. Sie hatte ein Baby zur Welt gebracht, das sich nicht entwickeln wollte und alsbald zu den Sternen entschwand. Bei der zweiten Schwangerschaft stellte ein Test ihren HIV-positiven Status fest. Das wollte sie nicht wahrhaben. Das Baby wurde nie geboren und ihr Mann verstarb an einer Art von ›Tuberkulose‹. In dieser Not wurde sie von den Mitarbeitenden der ›Universalen Solidarität‹, einem der Werke des ›Stern der Hoffnung‹ in Benin, gefunden.

Sédilora blieb von dem Ideal der Mutterschaft besessen. Sie heiratete erneut, diesmal einen Witwer, der drei Kinder mit in die neue Familie brachte. Er musste, wie Sédilora auch, mühsam dazu gebracht werden, die Gefahr von AIDS zu erkennen und Sédilora und sich selbst beständig zu schützen. Inzwischen ist sie erneut ›guter Hoffnung‹. Und sie ist stolz, von den Pflegekräften des ›Stern‹ begleitet zu werden. So erwarten wir alle zusammen die Geburt eines gesunden und glücklichen Kindes.

Thais hat nicht nur die Sterne bunt gemalt. Auch ihre Häuser sind so bunt und so lebendig, dass sie zu tanzen vermögen. Diese ihre Farben werden die Seiten der kommenden Tage mit der Freude am Leben füllen.

Und das wünsche ich Ihnen – voller Dankbarkeit – für das ganze Jahr 2022

Ihre Lisette Eicher

Stern der Hoffnung
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